Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? –
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.
(Goethe)
X.
Der Tod
Das schmerzhafteste Ereignis
im Leben ist der Verlust eines nahe-stehenden Menschen. Im bäuerlichen Leben
wurde der Tod für den natürlichen und unvermeidbaren Abschluss des Lebens
gehalten. In allem spürte man den Anfang und das Ende, die Geburt und den Tod
und man lebte sein Leben zwischen diesen beiden Polen.
Da die Werischwarer
katholisch waren und sehr stark an Gott glaubten, wussten sie ganz genau, dass
der Tod zum Leben fest dazugehört.
1.
Volksweisheiten und Redewendungen
Die Christen Menschen nehmen diese traurige Wendung
des Lebens mit Würde hin. Egal wie schwer der Tod die Hinterbliebenen getroffen
hat, nahm man es als vorgeschrieben, als Schicksal an [Theis woard so forksriebn]. Vom
Verhältnis der Werischwarer zum Tod zeugen viele
Volksweisheiten:
Die Alten müssen sterben, die Jungen können streben.
Ein jeder bringt sein Tod auf die Welt. [E jedö pringt se Thoad af ti
vögy.]
O Mensch, in allem, was du tust, bedenke, dass du
sterben mußt.
Zu dieser Betrachtungsweise hat wahrscheinlich auch
die hohe Ster-berate der früheren Zeiten wegen Mängel der ärztlichen Versorgung
und der Hygiene beigetragen.
Im Zusammenhang mit dem Tod verbreiteten sich auch
einige Redewendungen. Wenn jemand, vor allem ein älterer Mensch starb, sagte
man folgendes:
Die letzte Stunde hat geschlagen. [Ti
leitzti Stund hot kschlogn.]
Die Zeit ist da. [Ti ze:d is to.]
Starb jemand nach langem Leiden bzw. nach einer langen
Krankheit, wurde folgendes hinzugefügt:
Dieser ist schon gut aufgehoben. [Thei
is scho khuad
afkheipt.]
Und wenn jemand früh gestorben ist, sagte man, dass er
noch hätte leben können [Thei hed
nau léivn khöne].
Beim ganz plötzlichem, unerwartetem
Tod bemerkte man, dass es schnell gegangen ist [Theis is
ksnö kangö]. Wenn jemand
etwas weiter von zu Hause als Folge eines Unfalls oder einer Krankheit
gestorben ist, konnte man folgendes hören:
Der Tod hockt am Stein. [Thei
Taod, tei haockt um Stá.]
Dem Tod geht man entgegen. [Theim
taod khét ma entkhéin.]
Dorthin musste er gehen, weil der Tod dort gewartet
hat. [Thuat hoad er miesn hikhe, we:
thuat hod er kvart.]
An diesen Gedankenkreis knüpfen noch zwei Sprichwörter
an:
Kommt man aus der Not, so kommt der bittere Tod. [Khummt ma as
ta noat, khummt ta pittrö
taod.]
Heute rot, morgen tot. [Heitö
roat, morgen toat.]
Die Sense stand symbolisch (wie auch im Ungarischen)
für den Tod. Folgende Redewendungen verwendete man während eines Gesprächs oft
scherzhaft oder wenn man jemanden ängstigen wollte. Sie wurden aber auch
verwendet, wenn jemand kränklich war.
Wenn er kommt mit der Sense... [Wan er khumt mit de sajngs...]
Warte, er wird schon kommen. [Woart,
er werd schö khumma.]
2.
Der Aberglaube und der Tod
Mit dem Tod hängen mehrere abergläubische Sitten und
Bräuche zusammen, wovon die meisten auch noch heute leben.
Im Volksmund wird oft über die Vorzeichen des Todes
gesprochen. Man kann darauf meistens aus den Träumen, aus den
Naturerscheinungen, sowie aus dem Verhalten der Menschen und der Tiere
schließen.
Wenn jemand einen schlechten Traum gehabt hat [A schléchti trám hob i: khobt], bedeutete das soviel,
dass jemand in der Familie sterben wird. Eindeutige Zeichen des Todes waren,
wenn man in seinem Traum mit einem Verstorbenen gesprochen hat oder eine weiße
Wand mit Kalk bestrich. Träumte man über schmerzende, herausgezogene Zähne,
konnte man mit einem Todesfall in der Verwandtschaft rechnen.
Man sagte auch, dass derjenige, der sich zuerst in
einem neuen Haus hinlegt, in der Familie als erster sterben wird.
Wenn der Hund des Nachbarn die ganze Nacht seinen Kopf
nach unten haltend geheult [te Hund he:jt] und solange gekratzt hat, bis ein Loch entstand, war
das auch ein Vorzeichen des Todes in der nächsten Umgebung des Hauses. Eine
Frau erzählte mir, dass an dem Tag, als ihr Vater starb, der Hund des Nachbarn
die ganze Nacht geheult hat. Und am nächsten Morgen war ihr Vater tot. In
diesem Fall hat sich der Aberglaube bestätigt.
Das Erscheinen der Nachtvögel sollte auch auf den Tod
hindeuten. Manche waren davon überzeugt, dass dieser todbringende Nachtvogel die
Eule ist, andere vertraten die Meinung, dass es in Werischwar
keine Eule gab. Nach ihnen war der „Totenvogel” der Kuckuck, er sagte nämlich
immer: Komm mit! [Khum mit!]. Schon das Erscheinen
dieser Vögel vor dem Fenster bedeutete den Tod.
Auch komische, ungewöhnliche Geräusche oder Klopfen
waren schlechte Vorzeichen. Wenn ein Bild plötzlich von der Wand herunterfiel,
oder ein Spiegel zerbrach, hatte man etwas zu fürchten.
Auch die Sterne galten als Todeszeichen. Man sagte,
dass der fallende Stern immer eine Seele mit sich reißt.
Nicht nur im Zusammenhang mit den Todesvorzeichen
verbreiteten sich verschiedene Aberglauben. Man hat auch vieles, das mit der
Vorbereitung des Toten auf seinen letzten Weg zusammenhängt, abergläubisch zu
deuten versucht. Falls jemand gestorben ist, so wusste man ganz genau, was und
warum es gemacht werden soll.
3. Der
Todeskampf
Die wichtigste Tätigkeit der älteren Leute wurde mit
dem Voranschreiten der Zeit immer mehr die Vorbereitung auf den Tod. Wenn sie
das Gefühl hatten, dass ihre letzte Stunde nahte, haben sie all ihre Sachen,
die noch nicht erledigt waren, erledigt, wählten ihre Totenkleider aus und
teilten der Familie mit, wohin und wie sie bestattet werden möchten. Manche
schrieben sogar auf, wer den Sarg, die Windlichter, die Fahne und das Holzkreuz
tragen soll. Sie verbrachten viel Zeit mit Beten und Nachdenken, damit sie der
Tod auch seelisch nicht unerwartet traf.
Wenn es einen Schwerkranken in der Familie gab, wurde
es beim Pfarramt gemeldet. So hat man für ihn in der heiligen Messe gebetet.
Lag er schon im Sterben, rief man den Pfarrer und die Angehörigen. Bis der
Pfarrer, begleitet von einem Ministranten mit den Sterbesakramenten ankam,
beteten die Anwesenden. Im Zimmer standen nun auf einem Tisch zwei brennende
Kerzen. Während der Priester die Beichte abnahm, betete man leise in einem
anderen Zimmer für den Sterbenden. Bei der Kommunion und der letzten Ölung
durften die Verwandten und Bekannten wieder anwesend sein.
Sobald der Tod eingetreten war, wurden die Fenster
geöffnet, um die entweichende Seele hinauszulassen. Man mußte
aber aufpassen, dass kein Durchzug entsteht, denn so fange die Verwesung des
Körpers besonders im Sommer früher an. Deshalb hat man nachher das Fenster
zugemacht und eher die Tür geöffnet. Aus ähnlichen Gründen tat man vor die Nase
oder auf den Mund des Verstorbenen ein in Weißwein oder Spiritus getränktes
Tuch.
Da das Leben stehengeblieben ist, wurde zugleich die
Uhr angehalten. [„Ti uar is stéhplibn, tas
lébn is stéhplibn.”]
Außerdem wurden die Spiegel meist mit einem schwarzen Tuch, mit einem
Kaschmirtuch [kasmertichl] verhängt. Es wurden zwei
Gründe erwähnt, warum die Spiegel abgedeckt werden mussten. Der eine ist etwas
abergläubisch: wenn der Tote sich im Spiegel erblickt, kommt er wieder. Der
andere Grund ist etwas glaubwürdiger. Nämlich: die trauernden Angehörigen
sollen sich im Spiegel nicht sehen.
4.
Tätigkeiten um den Toten
Nach dem Tod begann die stille, ehrende Arbeit, den
Toten auf seinen letzten Weg vorzubereiten. Der Tod wurde von einem Arzt
festgestellt. In Werischwar gab es ja seit 1875 immer
einen Arzt. Davor rief man wahrscheinlich einen Leichenbeschauer.
Dem Toten wurden die Augen sofort zugemacht. Wenn sie
aber nicht geschlossen blieben, wurden die Lider mit Münzen beschwert. In
diesem Fall sagte man: „Dieser nimmt jemanden mit!” [Thei
nimmt waim mit!] oder „Dieser holt/sucht noch
jemanden.” [Thei huajgy /szucht noa weim.]
Als erstes wurde der Verstorbene von einem
Familienmitglied (meistens von einer Frau) mit etwas Essig und Wasser
gewaschen. Außer hygienischen Gründen (da der Tote im Haus aufgebahrt wurde,
konnte es bald einen Geruch geben) wollte man ihn wahrscheinlich auf diese
Weise symbolisch von seinen Sünden befreien. Er sollte sowohl seelisch als auch
körperlich rein in den Himmel gehen. Der Essig und das Wasser waren in einer
alten Schüssel, die nachher zerbrochen wurde, damit sie von niemandem mehr
benutzt wird.
Den Toten hat man möglichst schnell angezogen. Das
konnten nicht alle machen, aber unter den Familienangehörigen oder Nachbarn gab
es immer welche für diese schwierige Aufgabe.
Der Todesanzug war immer festlich. Meistens war er das
Kleid, womit man sonntags zum Hochamt (um zehn Uhr) gegangen war.
So wurden den Männern ein schwarzer Anzug, meistens
ihr Hochzeitsanzug und ein weißes Hemd angezogen. Hut und Stiefel trug der Tote
nie, aber er bekam immer Socken. Den Frauen wurden ein dunkles Kleid, ein
Kopftuch und Strümpfe angezogen. Während die Jungen wie die Männer angekleidet
wurden, trugen die Mädchen ein Brautkleid. Es war nicht unbedingt weiß, eher
hell. Auf ihren Kopf bekamen sie statt des Kopftuches einen aus Wachs
angefertigten Myrtenkranz [Wochskránzl]. Schuhe
bekamen nur die jungen Mütter, die im Kinderbett gestorben sind, denn man
glaubte, dass sie über Rosen laufen müssen und ihre Füße durch die Dornen
verletzt werden können [thei misn
in ti térnö khén und in térnöweg khau ma ned
plausfiesig khén]. Die
Kleinkinder bekamen ein weißes Kleid. War das ein Junge, so wurde sein Ärmchen
mit einem blauen Band umbunden. Mädchen bekamen ein rosa Bändchen.
Unter den Kopf des Verstorbenen wurde ein weißes
Kissen gelegt. In seinen zusammengefalteten Händen hielt er einen Rosenkranz,
als ob er beten würde. Manchen wurde auch ihr Gebetbuch beigelegt. Der Tote war
mit einem Leichentuch [ivötau] bis zum Gürtel
bedeckt. Den Kleinkindern ließen dieses Leichentuch die Pateneltern nähen.
Dieses Leichentuch war meistens weiß, aber die dunklen Farben wie grau oder
schwarz waren auch üblich.
5. Das
Glockenläuten
Während dies alles geschah, eilte ein Angehöriger ins
Pfarramt und ins Gemeindehaus, um den Tod zu melden. Im allgemeinen
gingen die Frauen zum Priester, während die Männer für die Beerdigung sorgten.
Die kleinste Glocke, das Zügenglöcklein
wurde am nächsten Morgen nach der Messe geläutet. Für die Säuglinge
(Polsterkinder) wurde nicht geläutet. Klang das Läuten ohne Unterbrechung, so
war ein Kind gestorben. Bei einer kurzen Unterbrechung wusste man, dass eine
Frau gestorben war. Bei einer zweimaligen Unterbrechung war der Verstorbene ein
Mann. „Drei Absätze mit 20 Zügen wurden bei Männern, zwei Absätze mit 20 Zügen
wurden bei Frauen, bei Minderjährigen und bei Kindern wurde ein Absatz mit 20
Zügen geläutet.”20 Auf diese Weise verbreitete sich die Todesnachricht sehr
schnell.
Für diejenigen Werischwarer,
die nicht hier begraben wurden, wurde auch geläutet, falls das im Pfarramt
gemeldet wurde.
„Jeder Tote wurde in der Regel viermal ausgeläutet.
Für Tote, welche die hl. Kommunion noch nicht empfangen hatten, wurde die
kleine Glocke, und dreimal die kleine und mittlere Glocke geläutet.”21
Ein Glockengeläute zeigte eine Viertelstunde vor der
Beerdigung, dass sie bald beginnt. Das wird „Zachelechtn”
genannt. Der Tote wurde bei der Beerdigung auf seinem letzten Weg von der
Wohnung bis zum Friedhof (später: vom Leichenhaus bis zum Grab) vom
Glockenklang aller Glocken begleitet. Mit diesem sg.
„Aslechtn” wird der letzte Abschied vollzogen. „Bis
1945 wurde für den Toten jeden Tag (mittags) ausgeläutet solange, bis der Tote
beerdigt wurde.”22
Heutzutage ist das Glockengeläut vor dem Begräbnis und
nach der Zeremonie vor der Leichenhalle, wenn der Tote zu seiner Ruhestätte
begleitet wird, immer noch zu hören.
In früheren Zeiten hat das Volk dem Glockengeläut
entsprechende Worte hinzugefügt und man versuchte es in Sprache zu fassen. „Tot
bleibt tot”, klagt die Glocke, wenn jemand stirbt. Das Deuten des Klanges der
Glocken geht heute immer mehr zurück und nur wenige Leute, vor allem aus der
älteren Generation besitzen Kenntnis davon. Viele können nicht einmal
unterscheiden, ob die Glocke zu einem freudigen Fest, zur Messe einlädt oder
eben auf Trauerfeierlichkeiten hinweist. Allerdings ist das heute, seitdem die
Glocke mit Strom funktioniert, auch sehr schwer zu unterscheiden.
Auch am Tag der Allerheiligen und Allerseelen legte
man dem Läuten eine große Bedeutung bei. „Am Allerheiligentag nach dem
Abendläuten wurde 15 Minuten mit der großen Glocke, dann 45 Minuten mit allen
anderen Glocken zusammen geläutet. Am Aller-seelentag wurde nur in der Früh von
5 bis 6 Uhr geläutet.”23 Dieser Brauch ist bis zu den heutigen Tagen erhalten
geblieben.
6.
Der Leichenverein
Nach dem Tod wurde als sichtbares Zeichen der Trauer
vom Leichenverein die schwarze Fahne gehißt. Dieser
Leichenverein sorgte für die Aufbahrung im Haus (heute kommt allen
Obliegenheiten vor dem Begräbnis ein Bestattungsunternehmer nach). Auch die
Beerdigung verrichtete der Leichenverein. In diesem Leichenverein waren fast
alle Bewohner Mitglieder, da er einen Teil der Beerdigungskosten seiner
Mitglieder bezahlte. Laut Satzung hatte jedes Mitglied einen festgesetzten
Betrag in die Vereinskasse einzuzahlen. Vom eingelaufenen Betrag wurden dann
die Begräbniskosten mitfinanziert. Es gab auch Leute, die zugleich in zwei
Leichenvereinen Mitglied waren, und zwar im Leichenverein von Werischwar und Sanktiwan. Auf
ihrer Beerdigung hatte man doppelt so viele Fahnen und Windlichter. Auch dann
wurden mehrere Fahnen getragen, wenn der Verstorbene in einem anderen Verein
(z. B. Freiwillige Feuerwehr) Mitglied war.
Der Leichenverein hatte eine Trauerfahne, die bei
jedem Begräbnis vorangetragen wurde. In der Mitte dieser Fahne war ein Bild
eines Heiligen. In Werischwar war dies das Bild von
Maria. Leider wird heute diese Fahne nicht mehr benutzt, sondern nur eine ganz
schwarze. Es ist noch in Erinnerung, dass die Fahne bei den Ledigen blau oder
weiß war, während es bei der Bestattung der Kleinkinder überhaupt keine Fahne
gab.
Meistens wurden ältere Frauen mit der ehrenden Aufgabe
beauftragt, Fahnenmutter zu sein. Der Fahnenstock war voll mit kleinen Nieten,
in denen die Namen derer eingraviert wurden, die zur Anfertigung der Fahne
beigetragen haben. An der Fahne hingen auch verschiedene Bänder.
Außer der Fahne hatte der Leichenverein am Tag der
Beerdigung ein Kreuz mit einer langen Stange und sechs Windlichter zur
Verfügung gestellt.
7.
Die Aufbahrung
Wie bereits erwähnt, wurden die Toten bis 1945 zu
Hause aufgebahrt. Die Aufbahrung dauerte zwei Tage lang. Es gab auch eine
Vorschrift, nach der der Tote zur Vermeidung des Scheintodes erst 36 Stunden
nach dem Tod begraben werden durfte.
Der Tote wurde in der sog. reinen [Verziördö
stum] oder vorderen Stube [Fédöstum]
aufgebahrt, wo niemand geschlafen hatte. Trotzdem stand hier ein Bett,
Himmelbett [Himüpeit] genannt, das schön gemacht
wurde. Man konnte darauf das gestickte Leinentuch mit dem Monogramm des Toten
sehen. Das waren Vorsteckbetttücher, über die alle Familienmitglieder im Haus
verfügten.
Der vom Tischler angefertigte Sarg wurde auf den Tisch
oder auf zwei Stühle, die mit einem Brett verbunden waren, gestellt. Der Tote
sollte gegenüber der Eingangstür mit den Füßen zur Tür liegen, damit
diejenigen, die ins Zimmer treten, ihn sofort sehen konnten. Seine Lage mit den
Füßen zur Tür stand mit Sicherheit symbolisch auch dafür, dass er das Haus verläßt.
Der Sarg wurde aus verschiedenen Holzarten von einem
Tischler angefertigt. Die ältesten Werischwarer
Tischler, die Särge gemacht ha-ben, hießen Schreck, Mirk und Lieber. Die Reicheren bestellten Hart-holz oder sogar Nussbaum, während sich die Ärmeren mit
Weichholz begnügen mußten. Die Farbe des Sarges hing
von dem Alter ab: die Kinder und die Jugendlichen wurden immer in weiße, die
älteren Leute eher in dunklere, braune oder selten in schwarze Särge gelegt.
Auf den Sarg wurde anfangs der Name sowie das Geburts- und Sterbedatum des
Toten gemalt, später verwendete man dafür vergoldete und verzierte
Papierbuchstaben. Außerdem wurde der Sarg mit Blumenmotiven oder/und mit
Engelsfiguren verziert. Auf dem Sarg, der früher viel eckiger war als heute,
war immer ein Kreuz.
Neben dem Sarg, im allgemeinen
auf der rechten Seite, stand ein mit einem schwarzen Tuch bedeckter Hocker oder
Nachttisch. Darauf leuchteten zwei Kerzen und zwischen denen standen das
Weihwasser mit dem Buchsbaumzweig und ein Stehkruzifix.
Angehörige, Verwandte und Nachbarn waren in diesen
Tagen an der Totenbahre. Oft wurden die Kinder auch mitgebracht. Natürlich
hatten viele Angst vor dem Toten. Da sagte man ihnen,
dass sie die große Zehe des Toten anpacken müssen und dann werden sie sich
nicht mehr fürchten. [Tu muast ti
krauzn céhel aupokn pa da ál,
nod werst ti nimö fiechtn.]
Die Besucher (nicht nur die nächsten Angehörigen, sondern auch die fernsten
Bekannten) kamen ins Zimmer, grüßten die anderen, beteten und segneten den
Verstorbenen mit Weihwasser [Be:htwossö]. Dazu
verwendeten sie interessanterweise keinen Rosmarinzweig, der im Leben der
Ungarndeutschen eine so große Bedeutung hatte, sondern einen Buchsbaumzweig.
Heute wachsen im Fried-hof vor dem mittleren Kreuz
immer noch Buchsbäume.
War ein Kleinkind oder ein Lediger/eine Ledige
gestorben, brachten die Verwandten und Bekannten Heiligenbilder mit und legten
es auf seine Brust. Häufig kamen so viele Bilder zusammen, dass sie das tote
Kind völlig bedeckten.
Es wurde das Rosenkranzgebet gebetet. Zu Mittag und am
Abend betete man laut mit Hilfe einer verwandten Frau, Vorbeterin genannt,
verschiedene Gebete für den Verstorbenen, für seinen Namenspatron und für die
Hinterbliebenen: „Vater Unser”, „Der englische Gruß”, „Der Engel des Herrn”,
„Das apostolische Glaubensbekenntnis” und „Gebete um eine selige Sterbenstunde”:
Komm,
mein Jesus, zum Beschluss,
wenn
ich zeitlich sterben muss,
wenn
mich alle Welt verlässt,
hält
mich doch mein Jesus fest.
O
Jesus, spann mich aus,
führ mich in des Himmels Haus.
Schick
mir deinen Engelswagen,
dass
ich kann zu Jesus fahren.
Meinen
Bräutigam hab’ ich schon,
der
ist Jesus, Gottes Sohn.
Der
wird mich in den Himmel führen,
und
mein Grab mit Rosen zieren.
Ach,
wie schön wird das sein,
wenn
wir werden bei Jesus sein.
Am
heiligen Karfreitag, da haben wir
das
bittere Leiden und Sterben
unseres
Herrn, Jesu Christi.
Da
kommen die Juden gegangen,
nahmen
Gott, den Herrn gefangen.
Mit
Stricken gebunden, mit Geisseln geschlagen,
Da
bluten ihm seine heiligen fünf Wunden.24
Man nannte diese Sitte das „Wachten” [Wohtn], um auf diese Weise den Toten die letzte Ehre
erweisen zu können. Laut der Monographie von Michael Fogarasy-Fetter25 wachten
jeweils bis Mitternacht die Frauen und nach Mitternacht die Männer.
Meine Informanten waren dagegen fest überzeugt davon,
dass es eine solche Einteilung nicht gab. Es gab aber zahlreiche Beispiele
dafür, dass, während die Frauen beim Toten beteten, die Männer in der Küche
Wein tranken.
Seitdem die Toten in der Leichenhalle aufgebahrt
werden, konnte man zu Hause nur noch solange wachten, bis der Verstorbene vom
Leichenverein weggetragen wurde. Dann wurde der Tote von den Verwandten und
Nachbarn immer noch auf den Friedhof begleitet. Außerdem ging man mittags und
abends bis zur Beerdigung immer in die Leichenhalle, um dort in gewöhnlicher
Weise zu beten. Seit den 80er Jahren gibt es diese Tradition auch nicht mehr.
Der Verstorbene wird vom Haus binnen zwei Stunden auf den Friedhof gebracht und
man kann beim Toten nur zwei Stunden vor der Beerdigung „wachten”. Der
Vorbeter, der unmittelbar vor der Beerdigung und während des Totenzuges gebetet
hat, war bis zu den 60er Jahren ein Mann und zwar der Totengräber. Aber seitdem
gibt es nur Vorbeterinnen. Sie kommen eine Stunde vor der Beerdigung in die
Leichenhalle und beten mit den Angehörigen der Verstorbenen.
8.
Die Beerdigung
Die Beerdigung wurde bis zum Advent des Jahres 1962
nach der lateinischen Zeremonie abgehalten. Die Grabrede, die Gebete und die
Lieder waren bis 1945 größtenteils deutsch (nach Wunsch der Familie). Seit 1945
gibt es aber nur noch Beerdigungen in ungarischer Sprache. Ein Gebetskranz wird
beim Wachten in der Leichenhalle noch deutsch gebetet
und während der Zeremonie werden auch einige deutsche Lieder gesungen.
Im Gegensatz zu den heutigen Zeiten fanden früher auch
samstags, sonntags, aber auch an Feiertagen Beerdigungen statt. Heutzutage
werden sie nur während der Woche abgehalten.
Früher wurden die Begräbniszeremonien meistens am
Nachmittag um 3 Uhr abgehalten. Aber es kam auch vor, dass die Bestattung um 11
oder zwischen 13 und 16 Uhr stattfand. Der Zeitpunkt hing immer von
verschiedenen Faktoren ab: Jahreszeit, Wetter, wie weit der Weg vom Haus des
Verstorbenen bis zum Friedhof ist.
Das Grab wurde am Vormittag der Beerdigung anfangs von
den Verwandten, meistens von den Sargträgern, später vom Totengräber [Króbmocha/Toatnkrébö]
ausgegraben.
Wenn der Pfarrer mit den Ministranten ankam, zog man
das Leichentuch über den Toten, machte den Sarg zu und stellte ihn in den Hof.
Auf der einen Seite des Sarges stand der Fahnenträger mit der Fahne des
Leichenvereins, auf der anderen Seite der Kreuzträger. Am Sarg standen die
Sargträger und um den Sarg die Chormitglieder und die Musikanten. Bei den
Jugendlichen haben sie im Hof das Lied „Kranz der Jugend” gesungen.
Der
Kranz der Jugend ist verwelket,
die
Blumen sind abgefallen,
im
Frühling meines Erdenlebens
geh’
ich nun hin zum stillen Grab.
Ich
hab’ gehofft noch lang zu leben,
doch
in der schönsten Jugendzeit
nimmt
mich der Tod von meinen Lieben
/:
und führt mich in die Ewigkeit:/
Nun
Eltern mein zum letzten Male
streck’
ich die Hände aus nach euch.
Lebt
wohl bis wir uns wiedersehen
dort
oben einst im Himmelreich.
Ich
danke für alle Sorg’ und Mühe,
die
ihr gehabt so oft mit mir.
Gott
wird euch alles reich vergelten
/:und
segnen liebend euch dafür:/
Ihr
Geschwister Gott mit euch auf Erden,
bis
wir einander wiedersehen,
vergesst
mich nicht und denket meiner,
dies
ist mein allerletztes Fleh’n,
und
alle Freunde und Verwandte,
die
wehmutsvoll um mich geweint.
Gott
tröstet euch bis wir uns sehen
/:in
seinem Reiche froh vereint:/
Angeblich hatte die Gemeinde schon ab Mitte des 18.
Jahrhunderts eine Blasmusikkapelle. Die Ledigen begleitete sie oft auf ihrem
letzten Weg. Erst im 20. Jahrhundert kam es in Mode, dass auch die
Verheirateten mit Musik begraben wurden, was aber heute wiederum seltener der
Fall ist. Während der Beerdigung spielte die Kapelle Trauermärsche und nach der
Zeremonie ein Lied zum Verstorbenen. Das waren meistens seine Lieblingslieder
oder wenn der Verstorbene ein Bergmann war, spielten die Musiker den
Bergmannsmarsch.
Es war eine Pflicht des Nachbarn, Glut vorzubereiten.
Nachdem der Pfarrer mit den Ministranten angekommen war, lief einer ins
Nachbarhaus und holte die Glut für das Rauchfass.
9.
Der Totenzug
Es ist schwer, eine allgemeine Beschreibung der
Bräuche zu geben, denn sie waren immer von der gegebenen Person und Familie
abhängig. Die meisten Unterschiede tauchen jedoch beim Totenzug
auf, wo zwischen Säuglingen, Jugendlichen, Verheirateten und Selbstmördern ein
Unterschied gemacht werden muss.
Die Bestattung eines Kindes unter 10 Jahren war sehr
einfach. War ein Säugling (Mädchen) gestorben, trug eine junge Brautjungfer aus
der Verwandtschaft der Taufeltern – ganz in weiß gekleidet – den kleinen Sarg
auf dem Kopf in den Friedhof. Der Sarg wurde mit Hilfe eines aus Stoff genähten
Ringes [kháopfriegl] auf ihren Kopf gefestigt. War
das verstorbene Kleinkind ein Junge, so wurde es von einem Jungen auf den Kopf
getragen. In diesem Fall hatte der Priester nur ein Priesterhemd mit einer
Stola an. Hier verwendete man das Räucherfass auch nicht und es gab nur einen
Ministranten und einen Kreuzträger.
Wenn ein älteres Kind oder ein junger Mensch
(Ledige/Lediger) verstorben war, trugen den Sarg auf einer kleineren Totenbahre
junge Männer auf ihren Schultern auf den Friedhof.
Sie wurden aus der Verwandtschaft des Verstorbenen
ausgewählt, waren meistens Cousins, Söhne der Pateneltern und Freunde. Die
jungen Männer, die den Sarg trugen, hatten an ihren rechten Arm mit einem
weißen Band einen Rosmarinzweig gebunden, den sie nachher ins Grab warfen. Auch
der Ministrant, der das Kreuz der Kirche trug, hatte so ein Band und auf das
Kreuz wurde auch ein Band gebunden.
Wahrscheinlich besaß die Gemeinde bereits am Ende des
19. Jahrhun-derts einen Pferdewagen,
womit die Verheirateten und die älteren Leute auf ihren letzten Weg begleitet
wurden. Vor dem Leichenwagen waren zwei weiße Pferde eingespannt. Der Kutscher
hat sich als ein Trauerhusar angezogen, er hatte sg.
„Birschnschnieler” an. Auf seinem Hut war ebenso wie
auf dem Zaum eine Feder, deren Farbe vom Alter des Verstorbenen abhing. Sie war
bei Unverheirateten weiß und bei Älteren hellblau.
Der Tote wurde vom Priester zum ersten Mal auf dem Hof
eingesegnet, da die Zeremonie eigentlich hier abgehalten wurde. Hier hielt der
Pfarrer auch eine kurze Abschiedsrede. Dann ging der Trauerzug mit den
Verwandten, Angehörigen, Bekannten, Nachbarn in den Friedhof. Inzwischen
beteten sie den Rosenkranz und sangen Lieder. Der Totengräber (János Freß, später János Sasvári/Spiegelberger)
passte auf, dass man dabei nicht plaudert. So rannte er ständig hin und her und
forderte die Gläubigen zum Singen und Beten auf.
Der Beerdigungszug hatte eine feste Ordnung. Am Anfang
der Pro-zession ging der Totengräber. Hinter ihm war ein Ministrant mit dem schwarzen Kreuz der Kirche und
ein junges Kind aus der Verwandt-schaft oder
Nachbarschaft, das das Grabholz mit dem kleinen Kranz
trug. Auf dem Grabholz stand auf einem kleinen Schild
der Name des Verstorbenen und das genaue Geburts- und Sterbedatum. Dann ka-men die Fahnen- und Kreuzträger auf der rechten und
linken Seite. Ihnen folgten die Männer, die Musikanten und der Chor. War ein
Kind oder ein Jugendlicher gestorben, so gingen vorne 10-15 Braut-jungfer: Verwandte, Freundinnen und Nachbarinnen. Sie
hatten Festkleider [We: spratzfiadö]
in unterschiedlichen Farben und einen Myr-tenkranz
an.
Man wollte nämlich alles so machen, als wäre die
Beerdigung die Hochzeit des Verstorbenen. In diesem Fall verteilte man am Haus
auch Kerzen, die die Angehörigen bis zum Grab trugen. Die Brautjungfer trugen
auch die Kränze, die sonst von älteren Frauen getragen wurden. Nach ihnen kamen
die Fahnen- und Kreuzträger auf der rechten und linken Seite vor dem Sarg. Der Pfarrer,
zwei Ministranten und der Kantor gingen unmittelbar vor dem Sarg. Sechs Männer
mussten den Sarg tragen und sechs die Windlichter [Leihter]
halten. Diese sowie die Kreuz- und Fahnenträger waren meistens der Gevatter
oder seine Söhne bzw. das Patenkind, der Firmpate oder seine Söhne oder das
Firmenkind, die Cousins, die Nachbarn und eventuell die Freunde. Diese Männer
wurden von der Familie des Verstorbenen aufgefordert (von den Männern) und dann
wurde vor der Beerdigung vom Totengräber eingeteilt, wer was tragen soll. Der
Totengräber musste aufpassen, dass das Kreuz von einem höheren Mann und der
Sarg von ungefähr gleich hohen Männern getragen wurde.
War ein Mitglied der Kirchenvertretung gestorben, trug
man drei Lichter mehr. Die Träger hatten bei Jugendlichen ein hellblaues, bei
älteren Leuten ein schwarzes Band umzubinden.
Hinter dem Sarg gingen die nächsten Angehörigen und
andere Gläubigen. Die trauernden Frauen schlossen den Zug. Der Grund dafür
liegt wahrscheinlich da, dass die Frauen im Haus waren, während die Zeremonie
auf dem Hof stattfand. So verließen sie zuletzt den Hof. Sie wurden deswegen
von den Bewohnern der Nachbardörfer oft ausgelacht. Man sagte, dass die Werischwarer Frauen die Fenster öffnen und nach außen
weinen.
Nach dem Weltkrieg hat sich diese Reihenfolge etwas
verändert. Dem Sarg folgen die nächsten Angehörigen des Verwandten. Männer und
Frauen gehen aber auch heute noch getrennt und die Kränze werden immer noch von
den Frauen zum Grab getragen. Der Brauch, dass der Sarg von Verwandten und
Bekannten getragen wird, nimmt immer mehr ab. Oft werden auch die Windlichter
von Leuten der Bestattungsunternehmer getragen. Das große Kreuz, das von einem
Ministranten getragen wurde, gibt es heute nicht mehr. Aber auch Ministranten
nehmen heutzutage nicht in so großer Zahl an Beerdigungen teil wie früher.
Der Trauerzug ging bis zum Grab. Da der Friedhof kein
Besitz der Kirche ist, musste und muss das Grab vom Priester eingesegnet
werden. Nach der Beerdigung verabschiedeten im allgemeinen
neben dem Pfarrer die Sänger und Musiker den Verstorbenen. Als Lied wurde im-mer das am meisten angemessene gewählt. Dies bezeugen
einige Stücke aus einer Sammlung vom Anfang des Jahrhunderts, wovon viele
Lieder bis zum heutigen Tage gesungen werden.
Das folgende Lied wurde bei der Beerdigung eines
Kindes gesungen:
O,
weinet nicht ihr liebe Eltern,
es
hat ja mir so schön geträumt.
Ich
sah den hohen Himmel offen,
das
Tor mit goldnem Licht umsäumt.
Dort
stand ein Engel ganz umflossen
von
jenem Licht und rief mir zu:
Komm
rauf zu uns, verlass die Erde
du
treues Kind, du liebes du.
Hier
wirst du wohnen, unter Engeln
und
Seligkeit dein Anteil sein.
Darum
verlass ich diese Erde,
lebt
wohl o Vater, Mutter mein.
Dort
oben werd’ ich für euch beten,
dass einst
nach Jammer, Not und Leid
der
Allerbärmer gütig nehme
auf
euch in seine Herrlichkeit.
Die
mich geliebt, ihr Schwester, Brüder
bleibt
immer treu, fromm und gut.
Und
ehrt die Eltern hier auf Erden,
helft
ihnen stets mit frohem Mut
des
Lebens schwere Bürde tragen,
dann
wird euch Gott barmherzig sein.
Und
führen euch am Lebensende, zu sich,
in
seine Freude ein.
Wenn eine Mutter starb, hat der Chor dieses Lied
gesungen:
Seid
ruhig Kinder, laßt das Weinen,
und
stört mich nicht in meiner Ruh’.
Das
Mutterherz ist nun gebrochen,
Der
Tod schloß meine Augen zu.
Die
letzte Träne, die ich weinte im Todeskampf,
war
ein Gebet für euch ihr Kinder,
da so
frühe die Pflegerin zum Grabe geht.
Nun, Eh’mann, nimm für deine Liebe
dahin
mein letztes Lebewohl!
Der
Herr soll segnen dich auf Erden,
Er
macht dein Leben freudenvoll.
Und
ihr, ihr meine lieben Kinder!
kommt
manchmal hin zu meinem Grab.
Und
betet innigst für die Mutter,
die
frühe sinket dort hinab.
So lautete das Lied, das bei der Verabschiedung eines
älteren Menschen gesungen wurde:
Hier
kann ein jeder sich betrachten,
sich
fragen was das Leben sei.
Wohin
dein Ziel, dein Müh’ und Trachten,
und
ist vom Tod doch keiner frei.
Kurz
ist der Weg, durch das Erdenleben,
schnell
brennt die Lebensfackel ab.
Für
all’ deine Mühe und Bestreben
/:
gibt dir die Welt zum Lohn das Grab:/
Der
Tod als Straf’ das Sündenfalles
ist
allen Menschen auferlegt.
Hin
zur Verwesung ruft er alles
dort
ist sein’ Hand, die alles deckt.
Doch
unsere Seele ist befreut
vor
der Verwesung morscher Hand.
Durch
Jesu Tod ist sie geweichet
/:
zum Leben dort ist Vaterland:/
Nun
reisefertig will ich sagen
dir
liebstes Eh’weib, lebewohl,
leb
wohl in vielen fernen Tagen,
dein
Leben sei stets segenwohl
litt
Schmerz, scheid’ ich zuvor heut’ von hierein,
doch
kurz nur ist die Trennungszeit,
froh seh’ ich dich dann nun beginnen
/: in
einer neuen Ewigkeit:/
Ihr
Kinder, euch sei ja der Segen von Gott
herab
auf euch erfleht.
Betracht
in allen eueren Wegen,
wie
ihr mit Gott und Tugend steht,
lebt
wohl, ihr Schwester und Verwandte,
verzeih’,
wenn dich beleidigt hab’.
Ihr
alle, die mich treu geliebet
/:
kommt und begleitet mich zum Grab:/
Ihr
lieben Nachbarn und ihr Freunde
mit
Schmerze von euch ich heut scheid’.
Lebt
wohl, Bekannte und ihr alle,
denket
mein im Gebet, verzeiht.
Ihr
Träger traget mich zum Grabe,
wo
ich dort ewig ruhen soll,
dort
werd’ ich ja der Würmer Habe
/:
gute Nacht, lebet alle wohl:/
Das folgende Lied sang der Chor unter anderem noch
beim Grab:
Das
Schicksal tut keinen verschonen,
Der
Tod verfolgt Zepter und Kronen;
Eitel,
eitel ist zeitliches Glück,
Alles,
alles fällt wieder zurück,
fällt
wieder zurück.
Jetzt
wird mich die Erde bedecken,
Bis
mich die Posaunen aufwecken;
Ich
erwarte das letzte Gericht,
Ich
hoffe das ewige Licht,
das
ewige Licht.
Was weinet ihr Schwester und Brüder,
wir
sehen einander ja wieder,
an
dem Tage des letzten Gerichts,
fürchtet
Gott und den Tod fürchtet nicht,
den
Tod fürchtet nicht.
Die
Tränen sind Zeichen der Liebe,
doch
sind sie natürliche Triebe;
nur
um Eines, um Eines bitt’ ich,
betet
täglich und betet für mich,
und
betet für mich.
Der letzte Teil der Zeremonie war, dass der Priester
mit einer Hacke einen kleinen Erdkloß ins Grab warf.
Dann taten das auch die nächsten Angehörigen mit ihren Händen. Es war Brauch,
dass die Ange-hörigen in einer Flasche Weihwasser mitbrachten und das Grab
damit bestreuten.
Bevor alle weggingen, dankte der Totengräber im Namen
der trauernden Familienangehörigen allen für ihre Anwesenheit zur letzten
Ehrerweisung des Toten. Später hat ein Familienangehörige Dank gesagt. Am
Anfang der Danksagung nannte man zuerst den Namen des Toten und dann kam ein
kurzer Text:
„Im Namen des christlichen Leichenvereins sage ich vergelt’s Gott bei denen, die unser Mitglied zum ewigen Ruhebett begleitet haben. Gelobt sei Jesus Christus!”
Dieser Brauch besteht nicht mehr, statt
dessen wünscht man den Trauernden herzliches Beileid. Das Grab wurde
dann, nachdem alle Anwesenden nach Hause gegangen waren, vom Totengräber
zugeschüttet. Heutzutage bleiben dagegen die Trauernden solange, bis der Sarg
eingegraben ist und die Kränze auf das Grab gelegt sind.
Von den Selbstmördern hat sich die Gesellschaft sehr
ferngehalten. Sie mussten am Rande des Friedhofs ohne jegliche Zeremonie
begraben werden. Höchstens betete man ein „Vater unser” vor dem Grab. Wenn die
Beerdigung doch von einem Pfarrer zelebriert wurde, trug er nur ein
Priesterhemd wie bei den kleinen Kindern.
Der Kranz wurde aus verschiedenen Blumen vom Tischler,
der den Sarg gemacht hat, angefertigt. Üblich waren die Kränze aus Krepppapier.
Jedenfalls gab es früher viel weniger Kränze als
heute. Im allgemeinen waren es nicht mehr als 3-4, da
nur die nächsten Verwandten welche machen ließen. Nach der Beerdigung wurden
sie auf den Grabhügel gelegt. Man ließ sie 6 Wochen lang darauf.
10.
Das Requiem
Lange Zeit fand das Requiem an dem, der Beerdigung
folgenden Morgen statt. In den letzten Jahrzehnten wurde es sofort nach der
Beerdigung abgehalten, und seit einigen Jahren wird die Totenmesse montags
zelebriert.
Vor dem Altar wurde ein symbolischer Sarg aufgestellt,
der mit einem schwarzen Tuch abgedeckt wurde. Daneben standen auf beiden Seiten
3-3 Kerzen und auf dem Sarg stand ein Kruzifix.
Nach der Messe zog der Pfarrer sein Messkleid aus und trug nur einen schwarzen Mantel. Er hatte
auch das Räucherfass dabei und ein Ministrant trug ein schwarzes Kreuz. Eigentlich
wurde die gleiche Zeremonie durchgeführt wie am Grabe.
11.
Die Trauer
Die Trauer dauerte in der engsten Familie anfangs 4
Wochen, später schon 6 Wochen lang, die aber sehr streng eingehalten wurde. Es
kam aber vor, dass man nach sechs Wochen wieder geheiratet hat. Vor allem, wenn
der Ehepartner viele Kinder hinterließ. Das Maß der Trauer hing auch davon ab,
wer gestorben ist. Bei Kleinkindern war die Trauer nicht so groß. Wenn aber ein
Ehepartner gestorben ist, dauerte sie ein Jahr lang. Bei ganz alten Leuten
trauerte man im allgemeinen auch nicht mehr als ein
halbes Jahr.
Während dieser Zeit trug man dunkle, schwarze Kleider
und man verzichtete auf die verschiedenen Unterhaltungsprogramme. Sogar in die
Kneipe durften die Familienangehörigen nicht gehen.
Die äußeren Zeichen der Trauer waren an den Männern
nicht zu beobachten. Sie trugen schwarze „Stiefelhosen”, weißes Hemd, schwarzes
Leibchen, Sakko, Hut und schwarze Stiefeln und an Wochentagen eine Schürze
dazu. Wenn sie ernten gingen, mussten sie weiße Leinhose
anhaben. Die Frauen dagegen trugen dunkle Kleider (Rock, Schürze, Jankel/Juppel) – falls sie keine
schwarzen hatten –, schwarze Kopftücher und Strümpfe, um ihre Traurigkeit zu
zeigen. An Wochentagen liefen sie im schwarzen Werktagskleid,
Waschkleid [Woschze:g] herum. Zur heiligen Messe am
Sonntag zogen sie sich ein Kleid aus einem schöneren Stoff [Khamgarn]
an. Das war ein „tiechene kittl”
mit „jangl” oder „Listefieder”.
Betrauert wurde der Verstorbene von den engsten
Familienmitgliedern und den Pateneltern bzw. Patenkindern, aber auch die
Cousinen trauerten, zumindest dann, wenn sie in die Kirche gingen.
Heute legt man auf die Äußerlichkeiten immer noch
großen Wert. Es gibt viele, die um den Verstorbenen ein Jahr lang trauern und
nur schwarze Kleider tragen. Angeblich hat man das von anderen übernommen; der
Mensch ist ja so, dass er den anderen immer etwas über-treffen
möchte. Das ist in der letzten Zeit auch für die Tätigkeiten um das Grab
charakteristisch. Viele sind bestrebt, ihren Angehörigen einen teuren Grabstein
machen zu lassen, um so zu zeigen, wie sehr sie sie geliebt haben. Es ist auch
schon zu einer Sitte geworden, dass man während der Woche öfter mit frischen
Blumen auf den Friedhof geht. Das ist natürlich ein schöner Brauch, solange er
nicht übertrieben und nur der Äußerlichkeit wegen gemacht wird.
Für den Jahrestag des Todes bestellen die
Familienangehörigen eine Messe für den Verstorbenen. Diese Sitte geht auch auf
eine lange Tradition zurück und wird heute in vielen Familien immer noch
ausgeübt.
12.
Gedanken zu den Veränderungen
Es ist für die Werischwarer
sehr typisch, dass sie den Veränderungen gegenüber offen sind. Oft sind sie
zwar nicht einverstanden, aber sie finden sich damit ab. So ging es auch mit
den Veränderungen bezüglich der Bestattung. Während sich die Bevölkerung der
umliegenden Dörfer gegen die Reformen aufgelehnt hat, nahm man in Werischwar alles an. In Schaumar
zum Beispiel hat man noch lange Zeit nach dem Weltkrieg die Toten von zu Hause
aus zu ihrer letzten Ruhestätte begleitet. Daher leben da in diesem
Zusammenhang noch viel mehr Bräuche.
Als ich meine Gewährsleute gefragt habe, ob sie die
Bestattung auf die heutige oder auf die frühere Weise besser fanden, konnten
sie keine eindeutige Antwort geben. Zwar war es früher aus gesundheitlicher
Hinsicht nicht gut, aber es war jedenfalls viel mehr mit Gefühlen verbunden.
Leider habe ich vor kurzem meine Oma verloren. Ihr Tod
traf uns alle sehr unerwartet und ich werde mein ganzes Leben lang bereuen,
dass ich mich nicht richtig von ihr verabschieden durfte. Die Geschehnisse
liefen so schnell ab, dass wir nicht einmal die Zeit dafür hatten, alles zu
begreifen. Meine Eltern wollten mich und meine Schwester davor bewahren, dass
wir sie immer, wenn wir in ihr Zimmer treten, tot liegen sehen. Wahrscheinlich
war es auch nicht einfach, zwei Tage lang mit einem toten Menschen unter einem
Dach zu schlafen, aber zumindest hatte man die Möglichkeit, sich von seinem
Geliebten richtig zu verabschieden.
13.
Tag der Allerheiligen und der Allerseelen
Am 1. November ist der Festtag der Allerheiligen. Im
christlichen Kalender war das immer ein Feiertag, an dem der Seligen gedacht
wird. Dieser Tag geht auch auf eine längere Vergangenheit zurück als der Tag
der Allerseelen, an dem man der Toten gedenkt, über die man nicht weiß, wohin
sie gekommen sind.
Vor diesen Tagen besuchen die Leute ihre Verstorbenen
auf dem Friedhof. Es wird für die Verstorbenen gebetet und man stellt Blumen,
Kränze sowie Kerzen auf den Grabstein. Am Abend beleuchtet Kerzenlicht den
ganzen Friedhof.
Früher ging man nicht so oft auf den Friedhof wie
heute. Nur an Jahrestagen, größeren katholischen Feiertagen und am Tag der
Allerheiligen und Allerseelen. So mussten vor dem 1. November zuerst die Gräber
in Ordnung gebracht werden. Zu Hause fertigten die Frauen aus verschiedenen
Herbstblumen kleine Kränze an, die sie auf einen Stab aufreihten und so in den
Friedhof brachten. Derjenige, der nicht hingehen konnte, zündete zu Hause so
viele Lichter an, wie vieler Toten er sich gedachte.
An den Gräbern der Selbstmörder entzündete man kein
Licht, weil sonst die Nachkommen das gleiche Schicksal haben könnten. Die
Selbstmörder haben sich also auch aus der Gemeinschaft der Toten-lichter
ausgeschlossen.
Man ging am Tag der Allerheiligen am Nachmittag nach
der Litanei von der Kirche mit einer Prozession in den Friedhof. Während des
Zuges betete man die Liturgie der Allerheiligen. Im Friedhof gab es eine Gedächtnisfeier
und eine Fürbitte für die Toten. Abends um 6 Uhr beteten die Gläubigen mit
einem Vorbeter vor dem mittleren Kreuz für die Verstorbenen. Am darauffolgenden
Allerseelentag wurde die Frühmesse besucht und anschließend oft wieder der
Friedhof aufgesucht. Viele versammelten sich auch zu Hause und beteten
gemeinsam beim Kerzenlicht für ihre Verstorbenen.
Die Wirtshäuser waren zu dieser Zeit geschlossen.
Am Tag der Allerheiligen hat man sich hell
angekleidet, aber am Tag der Allerseelen schwarz.
Am zweiten November machte man Kücheln,
sogenannten „Heiligen Striezel” [He:lig strizl]. Das ist ein
Hefegebäck, das in kleiner Zopfform
zusammengeflochten und dann mit Mohn bestreut wird.
Wahrscheinlich ist das ein heidnischer Brauch. Leopold
Schmidt schreibt in seinem Buch „Volksglaube und Volksbrauch”, dass man die
Überbleibsel von diesem Kuchen den Armen Seelen
aufbewahrte, die an ihrem Festtag auf die Erde kommen. Deshalb legte man sie
auf den Tisch, stellte brennende Kerzen um sie herum und wollte dann am anderen
Morgen erkennen, dass die Toten wirklich gekommen waren und am Tisch gegessen
haben. Diesen Aberglauben kennen die Werischwarer
nicht, aber die Kücheln werden von unseren Großeltern immer noch gebacken.
Im vor kurzem herausgegebenen Werischwarer
Gebetbuch findet man ein schönes Lied sowohl zu Allerheiligen als auch zu
Allerseelen:
Auf,
Christen, mit heiligem, hohem Entzücken
lasst
uns in den offenen Himmel heut’ blicken,
betrachtet
der Heiligen glänzende Schar,
die
sterblich, gleich Menschen, auf Erden einst war.
In
himmlischer Schönheit, viel heller als Sonnen,
auf
ewig den irdischen Leiden entronnen.
Umgeben
sie jubelnd den ewigen Thron,
geniessen der Heiligkeit seligen Lohn.
Geniesset in Frieden nach Trübsal und
Leiden,
ihr
Heilige Gottes, die süssesten Freuden;
doch
denket bei eurem so herrlichen Glück
an
eure noch streitenden Brüder zurück!
Maria,
vor allen mit Hoheit verkläret,
als
Vorbild der reinsten Tugend verehret,
o
wären wir auch so demütig und rein,
so
würden, wie du, wir auch selig sein.
Ja,
Heilige Gottes, auch heilig zu leben
und
selig zu sterben sei unser Bestreben;
dann
wird uns bei euch einst auch Freude und Ruh’;
erfleht
uns die göttliche Gnade dazu!
26
Schlummert
sanft, ihr Hingeschied’nen, Gott schen
euch die ew’ge Ruh’!
Über
euren Gräbern leuchte auch das ew’ge Licht dazu.
Ruhet
süss, leicht sei die Erde, über eurer stillen Gruft;
bis
der Herr zum neuen Leben, euch ihr Hingeschied’nen,
ruft.
Schlummert
sanft ihr Väter, Mütter, schlafet süss in eurem Grab!
Mancher
Kinder heisse Träne, fliesst
als Tau zu euch hinab.
Ruht
auch sanft ihr Brüder, Schwestern, die uns treu geliebet
hier,
Gott
im Himmel schenke liebend, seine Gnade euch dafür!
Schlummert
alle, alle sanfte, die geliebet unser Herz,
Treue
Freunde, Kameraden, ruhet aus von Leid und Schmerz!
Ruhet
süss, wir seh’n uns wieder,
einst im bessern Vaterland!
Ja,
dorthin wird uns einst führen, unser’s guten Gottes
Hand.27